Popeln: Harmloses Verhalten oder gesundheitliches Risiko?
Was viele nur im Verborgenen tun, rückt in Zeiten von Pandemien zunehmend in den Fokus der Gesundheitsdebatte. Mediziner und Psychologen warnen aktuell eindringlich vor dem Nasenbohren – nicht nur aus hygienischen Gründen, sondern auch wegen möglicher gesundheitlicher Folgen.
Ein unangenehmes Tabu mit Folgen
„Ich bin nicht tot, ich bin nicht fertig“, könnte man scherzhaft meinen, wenn es um das Popeln geht – eine Handlung, die in der Öffentlichkeit als peinlich gilt, aber doch weit verbreitet ist. Allgemeinmedizinerin Sabine Gehrke-Beck von der Berliner Charité empfiehlt in Anbetracht der anhaltenden Infektionsgefahren, insbesondere durch das Coronavirus, bewusst auf das Bohren in der Nase zu verzichten. Der Kontakt mit dem Gesicht könne zur Verbreitung von Viren beitragen, so die Expertin.
Trotz dieser Warnungen wird jedes Jahr am 23. April der skurrile „Internationale Tag des Nasenbohrens“ begangen – ein Gedenktag mit unbekannter Herkunft, der jedoch immer wieder Diskussionen über Hygiene und Verhalten auslöst.
Wann und wo wird am häufigsten gepopelt?
Laut Psychologe Sören Al-Roubaie vom Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen geschieht das Popeln bevorzugt dann, wenn man sich unbeobachtet fühlt – etwa zu Hause oder besonders oft im eigenen Auto. Obwohl das Auto zum öffentlichen Raum gehört, vermittelt es vielen Menschen ein Gefühl von Privatsphäre. Der Klassiker: Popeln an der roten Ampel.
Interessant ist auch der Geschlechterunterschied: Laut dem Buch „Wie wir Deutschen ticken“ von Christoph Drösser, das auf Umfragen basiert, greifen 62 Prozent der Männer und 51 Prozent der Frauen heimlich zum Finger, wenn sie sich unbeobachtet wähnen.
Gesundheitliche Risiken durch Nasenbohren
Für HNO-Arzt Michael Deeg ist das Popeln ein klares „No-Go“. Wer regelmäßig in der Nase bohrt, riskiert Verletzungen an der empfindlichen Schleimhaut. Diese Mikrowunden können sich entzünden und verkrusten. Dermatologin Utta Petzold beschreibt einen Teufelskreis: Die entstehenden Krusten verleiten Betroffene oft dazu, erneut in der Nase zu bohren, um diese zu entfernen.
Langfristig kann dies sogar zu Nasenbluten führen, da die Blutgefäße in der Nase sehr oberflächennah verlaufen. Besonders kritisch ist das Risiko, durch intensives Bohren ein Loch in der Nasenscheidewand zu verursachen – eine ernsthafte medizinische Komplikation.
Zudem können durch schmutzige Finger Keime und Bakterien in die bereits gereizte Schleimhaut gelangen und Infektionen verursachen. Gerade in Pandemiezeiten ist dies ein nicht zu unterschätzender Übertragungsweg für Krankheitserreger.
Und wenn Kinder Popel essen?
Kinder, die ihre Umwelt entdecken, probieren vieles aus – auch das Essen ihrer Popel. Für Eltern oft ein Anlass zur Ermahnung, doch gesundheitlich ist dieser Reflex nicht unbedingt bedenklich. Sabine Gehrke-Beck erklärt, dass Menschen ohnehin täglich Nasensekret aufnehmen, da Nase und Mund miteinander verbunden sind.
Tatsächlich weisen einige Studien darauf hin, dass das Essen von Popeln sogar positive Effekte haben könnte. Laut Forschenden der Harvard University und des Massachusetts Institute of Technology enthält Nasensekret Bakterien, die das Immunsystem stärken und vor Zahnerkrankungen wie Karies schützen könnten. Auch für Magen und Darm werden mögliche Vorteile vermutet. Diese Erkenntnisse wurden in der Fachzeitschrift „Applied and Environmental Microbiology“ veröffentlicht.
Fazit: Bewusstes Verhalten schützt
So sehr das Popeln auch zum menschlichen Alltag gehören mag, so wichtig ist es, sich der gesundheitlichen Risiken bewusst zu sein. Gerade in Zeiten erhöhten Infektionsgeschehens ist Zurückhaltung angebracht – für die eigene Gesundheit und die der Mitmenschen.